USA 1992 - 95
Min. - 2,35:1 - Quentin Tarantino
"Mr. Brown? Das klingt aber ziemlich nach Mr. Scheiße."
Sie sind der
Überzeugung, Quentin Tarantinos Pulp
Fiction sei ein absolut cooler Streifen, gespickt mit
einigen der seltsamsten aber auch
interessantesten Charaktere der Filmgeschichte,
durchsetzt mit fiesestem Humor und innovativer,
zeitlicher Erzählstruktur - kurz, ein echtes,
einzigartiges Meisterwerk? Stimmt schon,
allerdings hat der durchgedrehte
Ausnahme-Regisseur das alles schamlos geklaut -
und zwar bei sich selbst. Denn bereits zwei Jahre, bevor er mit seinem
Oscar-prämierten Epos über Höhen und
Tiefen kleiner und großer Gauner zu
Weltruhm gelangte, hat er seinen bis
heute wichtigsten Film gedreht, welcher
gleichzeitig auch sein Regie-Debüt
gewesen ist: Reservoir Dogs, eine
kleine (lediglich in Bezug auf Budget und
Lauflänge!) aber dafür umso
kraftvollere Moritat über eine Handvoll
Krimineller, die gemeinsam einen
Banküberfall vermasseln und sich
zwischendurch wie Schulmädchen wegen
alltäglicher Banalitäten in die Haare
kriegen.
Tarantinos wahres
Juwel Reservoir Dogs lebt natürlich
vor allem von den irrwitzigen Dialogen
der Charaktere, und diese Stilistik
sollte der Regie-Wunderknabe dann ja
bekanntlich in Pulp Fiction
konsequenterweise noch auf die Spitze
treiben. Das Zerren um Kleinigkeiten, das
gegenseitige Zerfleischen der Wilden Hunde (so der deutsche
Alternativ-Titel) macht die Männer, die
allesamt so gerne eiskalte und
ausgekochte Gangster ohne Gewissen
wären, so lebendig und menschlich. Der
Aufhänger der Geschichte, der Überfall
auf das Juweliergeschäft, wird übrigens
gar nicht gezeigt. Das ist auch nicht
nötig, denn das eigentlich interessante
und wichtige Geschehen spielt sich vor
und nach dem Coup ab. Dieses Geschehen
verwebt der Regisseur auf faszinierendste
Art und Weise in mehreren Zeitebenen, die
dem Betrachter scheinbar willkürlich um
die Augen und Ohren gehauen werden, doch
am Ende fügt sich wieder alles zu einem
großen, kompletten und stimmigen Bild
zusammen, stimmiger und konsequenter
jedoch, als es später bei »Pulp Fiction« der Fall sein würde.
Kleine
Anekdoten am Rande: Quentin Tarantino
musste sich das Geld für sein
Erstlingswerk aus allerlei dubiosen
Quellen zusammenklauben. Unter anderem
traf er ein Abkommen mit der Spezialeffekte-Firma KNB, deren Chef
Robert Kurtzman er ein weiteres,
komplettes Drehbuch zusicherte als
Gegenleistung für die aufwendigen
Make-Up-Spielereien seiner Dogs
(später sollte aus diesem Script dann
die Splatterkomödie From Dusk till Dawn entstehen). -
Außerdem steuerte Co-Produzent Harvey
Keitel höchstselbst eine Million Dollar
zur Finanzierung des Gangster-Dramas bei
und verzichtete dann auch im gleichen
Atemzug auf seine Gage als Schauspieler.
- Seit der Erstvorführung im Jahre 1992
hält sich hartnäckig das bemerkenswerte
Gerücht, dass gestandene Regie-Veteranen
(darunter auch Scream- und "Freddy
Krueger"-Vater Wes Craven) Vorstellungen
von Reservoir Dogs vorzeitig
verlassen haben sollen, da ihnen Michael
Madsens kleine Polizisten-Folterlektion zu hart gewesen
sei. Also, wenn das kein Gütesiegel ist...
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